Das Landgericht München hat gegen den amerikanischen Autohersteller Ford ein deutschlandweites Verkaufs- und Produktionsverbot verhängt.
Wie „Wirtschaftswoche“ berichtet, hat das Urteil mit den Mobilfunkchips in den Autos des Herstellers zu tun. Insgesamt wird Ford von acht Inhabern von Mobilfunk-Patenten verklagt, die für den 4G-Standard notwendig sind.
Die Mobilfunkchips müssen per Gesetz mit dem „eCall“-System ausgestattet sein. Dieses automatische Notrufsystem ist seit 1. April 2018 in Neuwagen Pflicht. Die Chips übernehmen mittlerweile aber vermehrt auch Entertainment- und Navigationsfunktionen.
In den sogenannten „Connected-Car“-Prozessen setzen Mobilfunk-Patentinhaber Autohersteller zunehmend unter Druck, für die Nutzung der Mobilfunktechnologie Lizenzgebühren zu bezahlen.
Vor dem Münchner Gericht setzte sich jetzt der nationale japanische Patentverwerter IP Bridge gegen Ford durch. Damit das Urteil vollstreckt wird, muss IP Bridge bei Gericht eine Sicherheitsleistung von 227 Millionen Euro hinterlegen.
Die Zeit drängt: Das Urteil könnte in ein bis zwei Wochen vollstreckt werden, wenn sich der Autohersteller nicht noch mit dem Kläger einigt. Er kann das Urteil auch anfechten.
2021 verkaufte Ford in Deutschland als siebtgrößter Hersteller 126 400 Autos. Es geht also um Umsatz in Millionenhöhe. Und: Das Münchner Urteil sieht sogar den Rückruf aller Autos von den Händlern und ihre Vernichtung vor.
Nicht das erste Verfahren dieser Art
Daimler drohte in einem ähnlichen Verfahren 2020 die Stilllegung der Produktion. Gegen den Mercedes-Hersteller wurden gleich VIER Urteile gesprochen – drei in München und eines in Mannheim. Der Mobilfunkkonzern Nokia, Sharp und der Verwerter Conversant hatten ihn auf Patentverletzung verklagt.
VW wurde – wie jetzt Ford – von IP Bridge mit demselben Patent in München verklagt. Die Wolfsburger warteten eine Gerichtsentscheidung allerdings nicht ab und nahm eine Lizenz von der Patentlizenzplattform Avanci, die die Patente von 48 Patentbesitzern umfasst, unter anderem auch die von IP Bridge.
Offenbar geht bei den Autoherstellern mittlerweile die Angst vor weiteren Klagen um. Der amerikanische Autokonzern GM hatte zuletzt eine Lizenz genommen, ohne dass vorher auf gerichtlichem Wege Druck aufgebaut worden war.
Das Münchner Urteil ist das erste Urteil gegen einen Autohersteller seitdem im vergangenen Sommer eine Patentrechtsreform in Kraft getreten ist.
► Eigentlich sollten mit der Reform umfassende Urteile, bei denen zum Beispiel eine komplette Fertigungsanlage wegen eines kleinen eingebauten Chips lahmgelegt wird, verhindert werden. Angewendet wird sie offenbar noch nicht flächendeckend.
„Die sogenannte Patentrechtsreform vom letzten Sommer hat wieder einmal keine Rolle gespielt“, sagt der Münchner Patentrechtsexperte Florian Müller der „Wirtschaftswoche“. „Knapp ein Jahr nach der entscheidenden Bundestagsabstimmung hat sie den Autoherstellern und anderen Unternehmen wie der Deutschen Telekom, die ebenfalls dafür eintraten, nichts gebracht.“