Die heutige Schule hat ein Problem – sie kann zu Mitläufern und überforderten Menschen führen

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Die klassischen Lerntechniken wie das Einmaleins, das Auswendiglernen von Gedichten, das Vorlesen von Texten und das kontinuierliche Üben in der Schule gingen weitgehend verloren. Hausaufgaben-machen ist verpönt – doch warum? Und welche Folgen hat das?

Mit den Achtundsechzigern veränderte sich die Schule in Deutschland. Die politisch linksgerichtete Bewegung überprüfte die schulische Bildung, ihre Struktur und ihre Konzeption daraufhin, ob sie die „unteren Klassen“ benachteiligt, wie Hermann Giesecke schreibt. Die Folgen können heutzutage in der Gesellschaft gesehen werden. Der deutsche Erziehungswissenschaftler Hermann Giesecke war von 1967 bis 1997 Professor für Pädagogik und Sozialpädagogik an der Universitität Göttingen.

Seither „wurde nahezu das ganze Schulsystem darauf ausgerichtet, die leistungsschwächeren Schüler als milieubedingt entschuldbar zu betrachten und mit Hilfe von Gesamtschulen, Orientierungsstufen, Förderstufen, verlängerter Grundschulzeit, Leistungskursen und den Methoden des individualisierenden Unterrichts zu fördern“.

Die PISA-Ergebnisse zeigen jedoch, dass dies weitgehend vergeblich war. Die soziale Ungleichheit im Bildungswesen hat sich über die Jahre kaum verändert.

Hermann Giesecke nannte bereits 2003 eine Ursache dafür:

Nahezu alles, was die moderne Schulpädagogik für fortschrittlich hält, benachteiligt die Kinder aus bildungsfernem Milieu.“

Bekannt ist das Schlagwort des „Offenen Unterrichtes“. Im „Offenen Unterricht“ sollen die Kinder lernen, selbstorganisiert und selbstbestimmt zu lernen. Dabei sollen die „individuellen fachlichen und überfachlichen Lerninteressen der Kinder das Lerngeschehen bestimmen“ (Wikipedia), zusätzlich sollen die Kinder das soziale Geschehen und die Interaktionen miteinander selbst regeln.

Doch „Offener Unterricht“ schadet und behindert Kinder der bildungsfernen Schichten beim Lernen, schreibt Giesecke. Damit verbunden ist der Abbau des klassischen, lehrerbezogenen Unterrichts, eine „übertriebene Subjektorientierung“ (fühle selbst was dir wichtig ist und handle danach) konnte beginnen. Die Leistungen, die die Kinder bringen sollten, werden unklarer und relativiert.

Kinder, die von Hause aus den eher bürgerlichen Schichten angehören, schadet diese Art des Unterrichtes ebenfalls, doch sie können noch damit klarkommen. Sie können sich organisieren und konzentriert lernen, sie genießen es auch, frei forschen zu können und ihre Zeit frei einzuteilen. Doch wenn sie immer wieder angehalten werden, auf ihre Mitschüler Rücksicht zu nehmen, tut das mit der Zeit auch nicht mehr gut.

Der Lehrer muss der Regisseur sein – und nicht nur ein Moderator

Manchen Bildungspolitikern, Schulleitern und Lehrern scheint die Meta-Studie von John Hattie (2009, dt. 2013) nicht bekannt zu sein. In der Meta-Studie wurden die Ergebnisse von über 50.000 Einzelstudien aufgearbeitet und der Einfluss vieler Faktoren nach ihrer Wirkung für das schulische Lernen und die Leistungen der Schüler zusammengefasst. In Kurzform (Zitat):

  • „Was schadet? Sitzenbleiben, Fernsehen und Sommerferien.
  • Was hilft nicht und schadet nicht? Offener Unterricht, jahrgangsübergreifender Unterricht, Team Teaching.
  • Was hilft ein wenig? Klassengröße, finanzielle Ausstattung, Hausaufgaben.
  • Was hilft ein wenig mehr? Zusatzangebote für Leistungsstarke, kooperatives Lernen, direkte Instruktion.
  • Was hilft besonders gut? Lernstrategien, Lehrerfeedback, Unterrichtsqualität.“
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Demnach sind die Strukturfragen für den Lernerfolg eher wenig bedeutsam, ob dort 20 Computer oder nur einer steht, ist vielen klassischen Lehrern unwichtig.

Entscheidend sind das Feedback des Lehrers, Lernstrategien und die Qualität des Unterrichts, also das Handeln und die Einstellungen des Lehrers.

Für Michael Felten, Gymnasiallehrer und Schulentwickler, steht im Schulwesen eine Revolution an, wie er auf „Bildung aktuell“ schreibt: „Genau dort, bei der Sicht der Lehrperson, steht eine förmliche Revolution für den bislang selbstlern-euphorischen Schulreformdiskurs an.“

Hattie charakterisiert nämlich den lernwirksamen Lehrer als activator (Regisseur) und grenzt ihn damit deutlich ab vom facilitator (Moderator). Eine lernförderliche Lehrperson muss Kapitän der Lerngruppe sein – und nicht nur ihr Lernbegleiter. Quelle

In vielen Artikel kann dies in ähnlicher Form nachgelesen werden. Zum Beispiel in der „FAZ“, 2010:

„Pädagogische Zurückhaltung mag Abiturienten beflügeln, Pubertierende aber verlieren so oft wichtige Orientierung. Bei selbständiger Arbeit machen viele Schüler um schwerere Aufgaben öfter als nötig einen Bogen, mit engerer Anleitung hätten sie die vielleicht lösen können. Und beim Stationenlernen sind die Jugendlichen zwar ständig beschäftigt, stellen aber ohne lehrergeleitetes Unterrichtsgespräch nur selten gedankliche Zusammenhänge zwischen den Lernportionen her.“

Die Leistungsabstände werden größer, je offener der Unterricht ist

Dr. Frank Lipowsky, Professor für Erziehungswissenschaften, sowie Dr. Miriam Lotz von der Universität Kassel stellten in ihrem Buch „Ist Individualisierung der Königsweg zum Lernen?“ (2015) fest, dass Formen der Individualisierung des Unterrichts nicht oder nur wenig geeignet sind, den Abstand zwischen leistungsschwächeren und -stärkeren Schülern zu verringern. Ganz im Gegenteil:

Es gibt sogar Hinweise darauf, dass sich die Leistungsschere zwischen stärkeren und schwächeren Schülern, wenn sich der Unterricht durch wenig Lehrerlenkung und wenig Strukturierung auszeichnet, eher weitet.“

So können insbesondere Schüler mit geringen Vorkenntnissen benachteiligt werden, „da die Komplexität der behandelten Probleme und Aufgaben das Arbeitsgedächtnis der Schüler zu stark belastet und damit das Lernen und Verstehen neuer Inhalte erschwert.“ (siehe Buch, S. 167f).

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