Ende des Bargelds: Warum die Vision einer bargeldlosen Welt eine Horrorvision ist

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Politiker, Unternehmer und Banker arbeiten an der Abschaffung des Bargelds. Sie versprechen mehr Sicherheit und mehr Komfort. Dabei würde das Ende des Bargelds schlimme Folgen haben.

Lange schien das Verschwinden von Bargeld nur eine abstrakte Option zu sein. Die Debatte um das Bargeld hat seit Mitte letzten Jahres deutlich Fahrt aufgenommen. Bei immer mehr Menschen entwickelt sich ein das Bewusstsein für die Aktualität dieses menschheitsverändernden Aktes. Sie sind beunruhigt von den Maßnahmen von Politik und Banken: Das Ende des 500-Euro-Scheins ist beschlossenund Bargeldzahlungen sollen auf 5000 Euro gedeckelt werden.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, noch einmal die wichtigsten Argumente für den Fortbestand des Bargelds zusammenzufassen:

1) Bargeld ist gelebter Datenschutz

Bargeld ermöglicht anonymes Zahlen und ist gelebter Datenschutzund damit ein Abwehrinstrument gegen einen totalen Überwachungsstaat, der George Orwells düstere Szenarien in „1984“ und „Farm der Tiere“ noch übertreffen würde. Der „Gläserne Zahler“ wäre im neuen Zeitalter von „NSA megaplus“ sicher kein freier Mensch mit informationeller Selbstbestimmung mehr.

Benjamin Franklin, einem der Gründerväter der USA (dessen Konterfei übrigens eine 100-Dollar-Note ziert) wird folgendes Zitat sinngemäß zugeschrieben: „Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren.“ Viele Zeitgenossen haben mit ihrer „Ich habe doch nichts zu verbergen“-Mentalität die Tragweite nicht annähernd erfasst.

2) Bargeld schützt vor Negativzinsen

Bargeld hat eine Schutzfunktion gegen Negativzinsen, die eine Art „Konsumverweigerungssteuer“ darstellen. Werden Einlagezinsen ins Minus gedrückt, können Haushalte und Unternehmen ihre Guthaben bar halten und sich so dieser Belastung entziehen statt zu ihrer Vermeidung gezwungenermaßen zu konsumieren und investieren.

Die Befürworter von Negativzinsen wollen aber Haushalte zu „ferngesteuerten Konsumtrotteln“ degradieren und Unternehmen zu Investitionen anreizen, die diese unter normalen Bedingungen eines positiven Zinses nicht vornehmen würden.

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Außerdem: Nullzinsen und erst recht Negativzinsen ließen die Verschuldungsfähigkeit von Staaten ins Unendliche steigen – das kann man sich nicht wünschen. Negativzinsen sind ein Frontalangriff auf das Eigentumsrecht und die gute deutsche Sparkultur, die für langfristiges, investitionsbasiertes Wachstum erforderlich sind.

3) Bargeld zwingt Finanzsystem zu mehr Solidität

Eine von den Befürwortern der Bargeldabschaffung in der Regel nicht genannte, aber sie sicher treibende Begründung ist die Verhinderung von Bankruns (dt. „Schaltersturm“ oder „Bankensturm“), die durch die unverändert andauernde Finanz- und Staatsschuldenkrise immer noch entstehen können: Viele Menschen heben wegen Vertrauensverlust in das Finanzsystem ihre Guthaben ab – im Sommer 2015 haben wir das in Griechenlanderlebt. Ein solches Misstrauensvotum wäre für diese Interessengemeinschaft aus (Groß-)Banken, Politik und Europäische Zentralbank (EZB) sehr unerwünscht.

Ohne Bargeld könnte es einen solchen Bankrun nicht mehr geben. Die einschlägigen Fehlentwicklungen im Geld- und Finanzsystem sowie bei den aus dem Ruder gelaufenen Staatsfinanzen ließen sich noch besser und noch länger verschleiern.

Problem für uns alle dabei: Ohne das Damoklesschwert eines Bankruns würde das schon aus der „Eurorettung“ bekannte „Trio Eurofernale“ aus Großbanken, Politik und EZB noch weniger Rücksicht auf Solidität des eigenen Handelns legen müssen. Übrigens: Auch private Haushalte sind bei Käufen mit Bargeld vorsichtiger als beim elektronischen Zahlen, weil Geld nicht physisch durch die Hände rinnt. Vermutlich würde in einer bargeldlosen Welt auch die Verschuldung privater Haushalte ansteigen.

4) Bargeldlosigkeit verschafft Finanzdienstleistern leichte Gewinne

Wenn erst einmal der Konkurrent Bargeld erledigt ist, können die Anbieter von bargeldlosem Zahlen, die sich dann auch zusammenschließen oder absprechen können, ihre Gewinnmargen zu Lasten der Kunden steigern. So äußerte sich auch der Chef der Münze Österreich, Gerhard Starsich, in einem Interview. Er sieht „hinter der aktuellen Debatte rund um eine mögliche Abschaffung des 500-Euro-Scheins sowie generelle Obergrenzen für Zahlungen mit Bargeld die Interessen der Plastikkartenfirmen. Auch die Banken hätten ein natürliches Interesse daran, dass alle Zahlungen über ihre Konten liefen.“ Die Münze Österreich ist eine Tochter der Oesterreichischen Nationlbank und prägt Münzen.

5) Bargeld hat eine Sicherheitsfunktion in Krisenfällen

Selbst wenn das Bargeld schon abgeschafft wäre, gäbe es einen triftigen Grund, es wieder einzuführen.  Bargeld schützt bei Hackerangriffenund ist selbst vor diesen geschützt – das Buchgeld auf Girokontennicht.

Wie in Marc Elsbergs Roman „Blackout – Morgen ist es zu spät“ sehr eindrücklich beschrieben, leben wir im Zeitalter von möglichen Cyberwar-Angriffen auf das Stromnetz und das Internet. Bargeld erlaubt auch bei einem mehrtägigen Stromausfall, zumindest die noch in den Läden befindlichen Waren halbwegs ordnungsgemäß zu verkaufen. In einem solchen Szenario bräche ohne Bargeld noch früher Panik aus.

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