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Niels Espenhorst

Flüchtlingskinder im Visier von skrupellosen Menschenhändlern

in Kriminalität
TRETE UNSERER TG GRUPPE BEI
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Die Folgen von Bürgerkriegen und Diktaturen treffen immer die Ärmsten der Armen und die Unschuldigsten: Kinder. Im Zuge der Flüchtlingsströme, die nach Europa ziehen, haben sich mittlerweile schon rund 60.000 minderjährige Flüchtlinge ohne Eltern nach Deutschland aufgemacht. Doch nach der verheerenden politischen Lage in ihren Heimatländern droht ihnen hierzulande nun eine neue Gefahr: Experten schlagen Alarm und warnen vor skrupellosen Menschenhändlern, die hier ihr Unwesen treiben und die Kleinen entführen wollen.

 

Die Lage scheint unübersichtlich und chaotisch zu sein. Kommen die Kinder hier ohne ihre Eltern nach Deutschland, sind zunächst einmal die Jugendämter der einzelnen Kommunen für sie zuständig. Doch angesichts der hohen Zahl an Flüchtlingen und der sich bergeweise auftürmenden Papierstapel scheinen diese offenbar mit der Situation überfordert zu sein. Immer mal wieder verschwinden Kinder aus der Obhut der Jugendämter. Wie viele Kinder es genau sind, weiß niemand, doch die Dunkelziffer dürfte sehr hoch sein.

 

Die Zahlen sind erschreckend: In der Stadt Regensburg gelten mittlerweile 85 Flüchtlingskinder als vermisst. Zusätzlich zu diesen 85 Kindern kommen im umliegenden Landkreis Regensburg noch einmal weitere 50 Kinder und Jugendliche hinzu. In der Summe ergeben sich also 135 Kinder, die wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheinen. Natürlich fragen sich die Einwohner der Stadt und des Landkreises, wie es dazu nur kommen konnte.

 

„Von den 50 Fällen, die wir bisher der Polizei gemeldet haben und die zur Fahndung ausgeschrieben wurden, haben wir genau einmal eine Mitteilung erhalten, was mit dem Kind geschehen ist – und das auch nur, weil der Junge in Frankreich aufgegriffen wurde“, erklärt Karl Mooser, Leiter des Jugendamtes im Landkreis Regensburg. Mooser hat es in diesen Tagen nicht leicht. Sein bisheriges Aufgabenfeld sah in normalen Zeiten hauptsächlich die sogenannte Inobhutnahme vor, bei der das Jugendamt Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen aufnimmt. Allein dieses Verfahren gilt schon als bürokratisch besonders aufwendig für die Kommunen. Doch diesem Teil seines Berufes kann sich Mooser kaum noch richtig widmen. Seit Jahresanfang betreuen er und sein Team eine Erstaufnahmeeinrichtung für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge, die in einem ehemaligen Autohaus untergebracht ist. Die Zustände dort sind prekär: In den letzten Wochen hat es bereits drei Massenschlägereien gegeben. Den Menschen, die dort untergebracht sind, fehlt es an Perspektive. Moosers Jugendamt selbst klagt über Personalmangel.

 

Offizielle Zahlen, die angeben würden, wie viele Flüchtlingskinder aus den Aufnahmeeinrichtungen verschwinden, gibt es nicht. Rund 60.000 minderjährige Flüchtlingskinder und -jugendliche sind in diesem Jahr nach Deutschland gekommen. Das plötzliche Verschwinden kann die verschiedensten Gründe haben, z.B. weil die Eltern ihren Kindern ein anderes Zielland für die Flucht genannt haben als dasjenige, an dem sie nun derzeit betreut werden. Laut dem BKA gab es zum Stichtag 1. Oktober unter den geflüchteten Kindern lediglich nur 299 Vermisstenfälle – ganz offensichtlich natürlich ein Widerspruch, denn wie können es nur 299 Vermisste sein, wenn schon die Stadt und der Landkreis Regensburg insgesamt 135 Vermisste melden?

 

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Niels Espenhorst, Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter beim Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) sieht die Zahlen des BKA, die er für zu niedrig hält, kritisch. Es sei problematisch, dass die einzelnen Jugendämter untereinander nicht ausreichend kooperierten. „Wenn ein junger unbegleiteter Flüchtling in einem Landkreis verschwindet und woanders wieder auftaucht, ist nicht gesichert, dass die Information an das ursprünglich zuständige Jugendamt weitergegeben wird“, äußerte er sich zu der Vermisstenthematik. Erschreckend finde er es auch, dass sich das Phänomen der vermissten Flüchtlingskinder auch in Großstädten offen zutage trete. „Früher waren unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Städten wie Hamburg und München sicherer untergebracht, weil es hier verlässliche Strukturen gab – das hat sich längst geändert“. Auch Großstädte hätten mit der anfallenden Bürokratie alle Hände voll zu tun.

 

Die Gründe für das Verschwinden seien dem Sozialwissenschaftler zufolge unterschiedlich. So gebe es die schon erwähnten Kinder, die ihren Eltern in ein ursprünglich vereinbartes Zielland folgten, aber auch diejenigen, die überhaupt kein konkretes Ziel hätten und daher orientierungslos in Deutschland herumirrten. Bei diesen bestünde die Gefahr, dass sie in die kriminelle Szene oder gar in die Prostitution abrutschen könnten. Konkrete Beweise habe sein Verband zwar noch nicht, aber es dränge sich allmählich der Verdacht auf, dass ein gewisser Teil der Fälle auch auf die düsteren Aktivitäten krimineller Menschenhändler zurückzuführen sei. Geäußert worden sei eine solche Vermutung von Jugendamtsmitarbeitern und Streetworkern vor Ort.

 

Natürlich gerieten die Kinder und Jugendliche auch in das Visier gewaltbereiter, extremistischer Islamisten und Hasspredigern. Die Forderung der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die Standards für die Betreuung von jungen Flüchtlingen ohne Begleitung abzusenken, hält Espenhorst angesichts der brisanten Problemlage daher auch für „geradezu grotesk“.

 

Das Tragische an der ganzen Situation ist, dass die Behörden in Anbetracht der Höhe der vielen vermissten Flüchtlingskinder die Suche nach den Vermissten mittlerweile aufgegeben haben. So auch in Passau: Dort wurde noch bis August diesen Jahres jeder unbegleitete minderjährige Flüchtling vermisst. Zunächst hatten die Behörden diese Fälle noch an die Bundes- und Landespolizei weitergemeldet. „Allerdings tun wir das mittlerweile nicht mehr, da die Polizei gar keine Kapazitäten hat, diese Jugendlichen alle zu suchen“, erklärte ein Sprecher des Landkreises Passau und gab damit zu verstehen, dass man die Polizei nicht mehr über die Vermisstenmeldungen informiere.

 

Quelle:

http://m.welt.de/politik/deutschland/article149815580/Die-verschwundenen-Kinder-des-Krieges.html

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