Warum ihr mit einer psychischen Krankheit in Bayern bald wie Strafgefangene behandelt werden könntet
Der bayerische Ministerrat will mit einem neuen Psychiatriegesetz die Versorgung der Patient*innen reformieren. Die Maßnahmen sind allerdings umstritten.
Was steht im Gesetzesentwurf?
Das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsych KHG) umfasst 41 Artikel. Es soll laut dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege ein Maßnahmenbündel enthalten, mit dem die Versorgung für psychisch Kranke in Bayern „nachhaltig verbessert“ wird. Nur die ersten vier Artikel widmen sich allerdings der Stärkung der psychiatrischen Versorgung durch Hilfe für die Betroffenen. Dabei ist die wichtigste Neuerung die flächendeckende Einführung von Krisendiensten. Die anderen Artikel befassen sich dagegen mit Fragen der Unterbringung.
Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, ist ein erklärtes Ziel, stationäre psychiatrische Einweisungen, insbesondere die Zwangseinweisungen, zu verringern. Hilfsbedürftige sollen laut der CSU-Ministerin Melanie Huml (Gesundheit und Pflege) frühzeitig aufgefangen und gegebenenfalls in freiwillige Versorgungsangebote vermittelt werden.
Warum ist das Psychiatriegesetz problematisch?
Erstens: Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung bezeichnete den Namen des Gesetzes als „Täuschung“. Denn er suggeriere, dass es hauptsächlich um die Hilfe für Betroffene geht. Tatsächlich werde aber vor allem jedes Detail zum Thema Unterbringung neu geregelt – und diese Vorschriften orientieren sich stark am Strafrecht: Das Besuchsrecht kann eingeschränkt werden, Patient*innen werden streng überwacht, ihre Telefonate kontrolliert und bei Verdacht sogar ihre Körperöffnungen untersucht. Die taz zitiert dazu Brigitte Richter von der Selbsthilfeorganisation Pandora: „Hier wird die Unterbringung behandelt wie der Maßregelvollzug in Haftanstalten.“
Zweitens: Der Fokus des Gesetzentwurfes liegt auf der „Gefahrenabwehr“ vonseiten psychisch Kranker. Fachleute kritiseren, dass dadurch die Stigmatisierung der Betroffenen zunimmt. Diese werden als Risiko für die öffentliche Sicherheit betrachtet – obwohl die meisten, wenn überhaupt, eher zur Selbstgefährung neigen. Dadurch sei auch die Hemmschwelle für psychisch Kranke größer, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Drittens: Für besonders großes Aufsehen sorgte die Regelung zu einer „zentralen Unterbringungsdatei“. Selbst bei einem kurzen Aufenthalt von wenigen Tagen werden demnach die personenbezogenen Daten von jeder*m, der*die in eine psychiatrische Klinik kommt, fünf Jahre lang gespeichert. Die Klinik muss die Entlassung der Patient*innen der Polizei melden. Und die Behörden erhalten Zugriff auf Informationen, etwa über die Diagnose, den Aufnahmegrund oder die Staatsangehörigkeit.
Persönlichste Daten des Patienten in einem Register zu speichern, führt zu einer massiven Grundrechtseinschränkung.“ – Kallert
Der Leitende Ärztliche Direktor der Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken, Prof. Dr. Thomas Kallert, schreibt in einer Stellungnahme: „(…) Persönlichste Daten des Patienten in einem Register zu speichern, führt zu einer massiven Grundrechtseinschränkung. Medizinethische Prinzipien sind aufs Gröbste verletzt. Einer Kriminalisierung, Entrechtung und lang anhaltenden strukturellen Stigmatisierung dieser Patienten muss ganz entschieden entgegengetreten werden.“ Kallert schreibt weiter, Psychiater*innen seien keine „Erfüllungsgehilfen staatlicher Willkür“ und fordert dazu auf, den Entwurf grundlegend zu überarbeiten.
Wie geht es jetzt weiter?
Die beiden CSU-Ministerinnen Kerstin Schreyer (Familie und Soziales) und Melanie Huml (Gesundheit und Pflege) hatten am Dienstag das PsychKHG dem Kabinett vorgestellt. Am 24. April hört der Gesundheitsausschuss des bayerischen Landtags Expert*innen zu dem Thema an. Laut der taz ist in München für die nächsten Tage eine Protestkundgebung geplant.
Im Netz tat sich der Unmut bereits kund. Unter dem Hashtag #Psychiatriegesetz äußerten sich auf Twitter unterschiedliche verärgerte Stimmen.
Wie ich dank der Depression tagelang im Bett liege und die Wohnung kaum verlassen kann, das kann man durchaus als gefährlich einstufen.
Ja ja!
Manchmal erschrickt der Pizzabote sogar ein bisschen bei meinem Anblick.#Psychiatriegesetz— Nathalie (@Supernatsch) April 16, 2018
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