Impfstoffbestellungen: Ursula von der Leyen wegen Korruptionsverdacht vor Gericht

in Politik
TRETE UNSERER TG GRUPPE BEI
Loading...

Bild: STEPHANIE LECOCQ/POOL/AFP VIA GETTY IMAGES

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll Teile eines Liefervertrags für Impfstoffe per SMS ausgehandelt haben. Die Kurznachrichten dazu möchte sie nicht veröffentlichen. Nun soll geklärt werden, welches Gericht für den Fall zuständig sein wird.

Ursula von der Leyen hätte es wohl selber in der Hand, allen Gerüchten und Anschuldigungen in der sogenannten Pfizer-Affäre den Nährboden zu entziehen. Doch die Lippen der Kommissionspräsidentin bleiben seit Jahren versiegelt.

«Uns liegen keine spezifischen Informationen vor, was die EPPO untersuchen könnte», sagte am Dienstag eine Sprecherin der Kommission. Punkt, aus. Mehr gab es in der bemerkenswerten Angelegenheit, dass die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) erstmals direkt gegen von der Leyen wegen möglicherweise strafbaren Fehlverhaltens ermittelt, von offizieller Seite nicht zu sagen.

Das Nachrichtenportal «Politico» hatte zuvor berichtet, dass die Behörde mit Sitz in Luxemburg den Fall von der Staatsanwaltschaft in Lüttich übernommen habe. Die Belgier hatten bereits Anfang 2023 eine Ermittlung gegen von der Leyen wegen «Einmischung in öffentliche Ämter, Vernichtung von SMS, Korruption und Interessenkonflikten» eingeleitet, nachdem eine Zivilklage eingereicht worden war.

Klagen von allen Seiten
Der Kläger, ein belgischer Lobbyist, fand, dass die Kommissionschefin vor aller Augen die Transparenzregeln der EU verletzt habe. Und mit dieser Überzeugung war er nicht allein: Seiner Klage schlossen sich wenig später die polnische und die ungarische Regierung an. Parallel dazu klagten ausserdem eine Gruppe von EU-Abgeordneten und die «New York Times» vor dem Europäischen Gerichtshof gegen von der Leyen – in beiden Fällen wegen mutmasslichen Verstosses gegen die Grundrechtecharta der EU.

Bei den Vorwürfen geht es um die turbulente Zeit der Impfstoff-Beschaffung während der Corona-Pandemie. Ende 2020 hatten die Mitgliedstaaten beschlossen, dass die EU gemeinsam Vakzine beschaffen sollte. Die Kommission bestellte direkt bei den Herstellern, und sie konzentrierte sich dabei auf den amerikanischen Pharmariesen Pfizer.

Loading...

Zwei Mal führten Teams der Kommission (in denen Vertreter der Mitgliedstaaten und Sachverständige sassen) die Verhandlungen mit Pfizer. Die Verhandlungen für den dritten Liefervertrag aber übernahm von der Leyen im Frühjahr 2021 persönlich, ohne dafür ein entsprechendes Mandat zu haben. Dabei ging es um die Lieferung von 1,8 Milliarden Impfstoffdosen mit einem geschätzten Auftragsvolumen von 35 Milliarden Euro aus EU-Steuergeldern.

Von der Leyen rühmte sich damals ihres guten Drahtes zu Albert Bourla, dem Pfizer-Vorstandsvorsitzenden. Das vertraute sie der «New York Times» an, die im April 2021 erstmals über die vertraulichen Gespräche zwischen der Kommissionschefin und Bourla berichtete. Über mehrere Monate hatten beide per SMS über das Geschäft verhandelt. Als die «New York Times» eine Einsicht in den Schriftverkehr verlangte, weigerte sich die Kommission, den Inhalt offenzulegen.

Auch die EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly und der Europäische Rechnungshof wollten wissen, was in den Textnachrichten stand. Doch von der Leyens Behörde speiste sie mit der Information ab, dass keine Dokumente gefunden worden seien, die in ihren Geltungsbereich fielen. Resigniert stellte O’Reilly fest: «Die Antwort der Kommission auf meine Untersuchungsergebnisse hat weder die grundlegende Frage beantwortet, ob die fraglichen Textnachrichten existieren, noch Klarheit darüber geschaffen, wie die Kommission auf eine Anfrage nach jeglichen anderen Textnachrichten reagieren würde.»

Hat von der Leyen etwas zu verbergen? Eigentlich galt der Deal mit Pfizer auf dem Höhepunkt der Pandemie als grosser Triumph für die lange glücklos agierende Kommissionschefin. Die schiere Menge der bestellten Impfstoffdosen sorgte jedoch im Nachhinein für Aufsehen. Pfizer lieferte so viel Vakzine, dass allein im letzten Jahr Dosen im Wert von mindestens 4 Milliarden Euro vernichtet werden mussten. Zugleich war der Preis trotz der hohen Abnahmemenge im dritten Liefervertrag um wundersame 25 Prozent pro Dosis angestiegen.

Lästige Geschichte
Die Kommission hatte Pfizer das Quasi-Monopol für den Impfstoffmarkt übergeben, was nach EU-Wettbewerbsregeln mindestens fragwürdig war. Schon 2022 kündigte die EPPO an, die Praxis der Vakzinbeschaffung generell zu prüfen. Der «Politico»-Bericht ist jedoch ein Hinweis, dass sich die Staatsanwaltschaft nun auch explizit mit von der Leyens Textnachrichten beschäftigt.

Die EPPO ist eine unabhängige Einrichtung mit weitreichenden Befugnissen, die für den Schutz der finanziellen Interessen der EU ins Leben gerufen wurde. Ihre Leiterin, die Rumänin Laura Kövesi, ist eine resolute Korruptionsjägerin, die nicht in dem Ruf steht, unter politischem Druck einzuknicken.

Für von der Leyen kommt der Bericht zu einem unangenehmen Zeitpunkt. Die Deutsche bewirbt sich gerade um eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin und ist auf Unterstützung aus den Hauptstädten angewiesen. Immerhin kündigte Polens Premier Donald Tusk jüngst an, sich aus der gemeinsamen Klage mit Ungarn zurückzuziehen. Polens Vorgängerregierung und die Regierung von Viktor Orban hatten eine Chance gesehen, es von der Leyen, die beide Länder für Rechtsverstösse anprangert, mit gleicher Münze heimzuzahlen.

Leave a Reply

Your email address will not be published.

*