Von rt.com
Während die Öffentlichkeit gegen TTIP und CETA kämpft, verhandeln die USA, die EU und 21 weitere Staaten an einem Freihandelsabkommen im Dienstleistungsbereich. Doch obwohl TiSA die beiden Vorbilder noch in den Schatten stellen könnte, regt sich bisher kaum Protest.
Es wirkt ein wenig wie das Rennen zwischen Hase und Igel: Kaum scheint es, als haben die hunderttausenden Gegner der Freihandelspolitik einen wichtigen Etappensieg erreicht, steht an der Ziellinie schon das nächste Kürzel mit vier Buchstaben, welches entfesselte Märkte und den schwindenden Einfluss von Staaten auf Konzerne verheißt.
Der Widerstand gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP war von Beginn an enorm, in jüngster Zeit konzentriert sich der Protest mehr und mehr auf das bereits durchverhandelte europäisch-kanadische Pendant CETA, doch kaum ist hier die kritische Masse erreicht, wird deutlich, dass mit TiSA eine ebenso zügellose Liberalisierung dem Handel mit Dienstleistungen droht.
Mit einer Reihe von Veröffentlichungen bisher geheimer Verhandlungsdokumente machen WikiLeaks und Greenpeace nun verstärkt auf TiSA aufmerksam. Neben den USA und der EU nehmen auch Australien, Israel, Mexiko, Kanada, Korea, die Türkei und 15 weitere Staaten an den Verhandlungen teil. Die „wirklich guten Freunde des Handels mit Dienstleistungen“, nennt sich die Gruppe. Dabei ist klar: Dieser Handel soll möglichst schrankenlos sein und auf keine Blockaden treffen, die sich aus Umweltschutz-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutzgesetzen ergeben können.
Bereits vor über einem Jahr gelangte WikiLeaks an eine frühere Version des sogenannten „Kernabkommens“, wenige Seiten, auf denen die Grundlagen von TiSA festgehalten werden, bevor alle beteiligten Parteien ihre erheblich längeren Auflistungen mit Sonderwünschen versenden. Für den heutigen Donnerstag hat WikiLeaks angekündigt, eine aktuelle Version des Verhandlungsstandes zu veröffentlichen. Diese seien „schon ziemlich weit“, so die Süddeutsche Zeitung, die zuvor bereits Einblick in die Dokumente erhielt.
Dabei deckt das geplante Abkommen einen äußerst großen Markt ab. Über 70 Prozent der global gehandelten Dienstleistungen entfallen auf die an den Verhandlungen involvierten Wirtschaftsräume. Betroffen sind zentrale Bereiche des Lebens wie die Energieversorgung, Pflege und Krankenfürsorge sowie die Telekommunikation. So mahnen Kritiker zahlreiche negative Folgen von TiSA an.
Umweltschützer befürchten die zügellose Verbreitung der Fracking-Industrie, Netzaktivisten warnen vor einer zunehmenden Aufweichung der verbliebenen Regeln zum Datenschutz und das Pflegepersonal in deutschen Heimen wird sich wohl auf neue Dumpinglöhne bei noch höherer Arbeitsbelastung einstellen müssen. Denn, ähnlich wie TTIP und CETA, soll das Abkommen den Wettbewerb „stärken“, was übersetzt heißt, dass es für kleinere Anbieter immer schwerer wird, im enthemmten Konkurrenzkampf zu überleben. Eine Schwächung der lokalen und regionalen Wirtschaft zu Gunsten transnationaler Konzerne gilt daher auch bei TiSA als ausgemacht.
Doch das ist längst nicht alles, schließlich gehört auch die Finanzindustrie zum Dienstleistungssektor. Nur mit Mühe und Not wurden in diesem Bereich nach der Krise im Jahr 2008 zumindest zaghaft Schutzwälle gezogen. Regulierungen, die TiSA wohl schnell wieder zum Opfer fallen werden.
Damit folgt das Dienstleistungsabkommen, ganz wie seine bekannteren Vorbilder TTIP und CETA, erkennbar der Logik der neoliberalen Doktin. Jane Kelsey, Professorin für Recht an der Auckland-Universität, betonte schon vergangenes Jahr:
Dienstleistungen werden in dem Abkommen lediglich als marktfähige Waren angesehen. Jede weitere Ebene, vor allem die soziale, kulturelle und ökologische Komponente, wird ausgeklammert. Ebenso die Rolle des Wirtschaftens für Beschäftigung und Entwicklung.
Bis Ende des Jahres sollen die TiSA-Verhandlungen abgeschlossen sein. Die Befürworter des Abkommens würden das Vertragswerk gerne noch in der schwindenden Amtszeit von US-Präsident Barack Obama in trockene Tücher bringen. Für Freihandelsgegner bleibt da wohl nur die möglichst zeitnahe und spontane Mobilisierung. Zumindest auf gut organisierte und gewachsene Proteststrukturen können diese dank TTIP und CETA nun bauen. Das Rennen zwischen Hase und Igel bleibt weiterhin unentschieden.