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Benzinpreise

Nach Protesten in Mexiko steht das Land kurz vor einer Revolution und niemand spricht darüber

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San Diego, Kalifornien – Lange brodelnde soziale Spannungen in Mexiko drohen überzukochen, indem fehlgeschlagene neoliberale Reformen des früher verstaatlichten Gassektors des Landes durch offene Korruption, stagnierenden Lebensstandard und ungezügelte Inflation verschlimmert werden.

Die US-Medien sind zumeist stumm geblieben über die Situation in Mexiko, sogar als sich die ausbreitenden Unruhen in der vergangenen Woche mehrere Male der Grenze zwischen den USA und Mexiko bei San Diego (Kalifornien) näherten. Anhaltende “Gasolinazo”-Proteste in Mexiko wegen eines 20-prozentigen Anstiegs der Benzinpreise, haben zu über 400 Festnahmen, 250 geplünderten Geschäften und sechs Toten geführt. Straßen werden blockiert, Grenzen geschlossen und Regierungsgebäude in Brand gesteckt. Die Proteste blieben bis auf einige isolierte Gewalttaten, für die die Aktivisten eine Infiltrierung durch die Regierung verantwortlich machten, insgesamt relativ friedlich.

Die wenigen Berichte in den Mainstream-Nachrichten, die die Situation behandelten, geben steigenden Gaspreisen die Schuld, versäumen es aber, mehreren anderen Faktoren nachzugehen, die Mexiko an den Rand einr Revolution bringen.

“Narkotisch-staatliche” Korruption

Der narkotische Staat, oder wie mexikanische Aktivisten sagen, “el narco-gobierno”, ist ein Begriff, um die offene Korruption zwischen der mexikanischen Regierung und Drogenkartellen zu beschreiben. Der narkotische Staat war in letzter Zeit in den Schlagezeilen aufgrund der Entführung und mutmaßlichen Ermordung von 43 Ayotzinapa-Studenten 2014 in Iguala (Guerrero). Dies war seitdem ein Grund für Proteste gegen die Regierung.

Obwohl die Entführungen offiziell unaufgeklärt geblieben sind, haben Angehörige des Drogenkartells Guerreros Unidos zugegeben, mit örtlichen Polizeikräften gemeinsame Sache gemacht zu haben, um die studentischen Aktivisten zum Schweigen zu bringen. 20 Polizeioffiziere wurden im Zusammenhang mit der Entführung verhaftet. Der frühere Polizeichef von Iguala, Felipe Flores, wurde festgenommen und mehrerer “Vergehen beschuldigt, einschließlich des organisierten Verbrechens und der Entführung der Studenten”, wie AP berichtet. Die Korruption reicht offensichtlich bis ganz nach oben, indem Bundesbehörden sagen, dass der frühere Bürgermeister von Iguala, José Luis Abarca, persönlich die Entführungen angeordnet habe.

Ein mexikanischer Aktivist, der anonym bleiben wollte, sagte zu AntiMedia, dass “eine Menge Leute glauben, es seien nur die Benzinpreise, aber der Benzinpreis ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es begann alles mit Ayotzinapa.

Ähnlich wie in den USA, ist die mexikanische Regierung anfällig für den Einfluss von Konzernen. Zufälligerweise sind die einflussreichsten Körperschaften in Mexiko Drogenkartelle – und es ist schwer für die Regierung, Organisationen unter ihre Kontrolle zu bringen, von denen sie finanziert und infiltriert wird. Ähnlich zum Phänomen der “bestimmenden Vereinnahmung”, ist die mexikanische Regierung mindestens teilweise von Drogenkartellen finanziert und vereinnahmt. Dieses gärende Problem ist ein wichtiger Faktor, der den gegenwärtigen Unruhen in Mexiko zugrunde liegt.

Durch neoliberale Politik geriet die Arbeiterklasse ins Hintertreffen

NAFTA war bei den US-Präsidentschaftswahlen von 2016 ein umstrittenes Thema, aber in Mexiko wird es genauso kontrovers diskutiert, wenn nicht sogar mehr. Der große “Freihandelsplan” von 1994, der durch die Unterzeichnung Bill Clintons zum Gesetz wurde, führte zu einer dramatischen Neugestaltung sowohl der ökonomischen Landschaft der USA als auch Mexikos. Maisbauern, die lange ein wesentlicher Faktor der bäuerlichen Wirtschaft Mexikos waren, wurden durch billigen, durch die US-Regierung subventionierten Mais verdrängt, der unmittelbar nach der Verabschiedung des NAFTA-Abkommens die mexikanischen Märkte überschwemmte. Bald darauf folgte die Krise durch mexikanische Einwanderer an der US-Südgrenze.
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Unterdessen wurde bald damit begonnen, Fabriken von den USA nach Mexiko zu verlagern, um sich die extrem billige Arbeitskraft zunutze zu machen – wodurch viele Arbeiter in den USA ihren Job verloren. Amerikanische Agrarkonzerne wie Driscoll’s gerieten kürzlich wegen sklavenähnlicher Arbeitsbedingungen unter Beschuss, unter denen Bio-Obst für US-Konsumenten produziert wird. Die Proteste für Arbeiterrechte in Mexiko, die kürzlich dazu führten, dass der Mindestlohn auf 80 Pesos [3,49 Euro] pro Tag angehoben wurde, werden oft von unbarmherzigen Polizeirazzien begleitet.

Der künftige US-Präsident Trump profitierte von zwei Problem, die durch NAFTA verursacht wurden – die Einwanderungskrise und die Auslagerung von US-Jobs – und seine reaktionäre, protektionistische Wirtschaftspolitik wird zweifellos die missliche Lage Mexikos weiter verschlimmern.

Mexikos verstaatlicher Öl-Mischkonzern Pemex wird seit Jahren von einer sinkenden Produktion heimgesucht. Die Korruption, die staatlich geführten Institutionen anhaftet, hat die mexikanische Gasindustrie zu Ineffizienz und ins Stocken geratener Innovation verdammt. Diebstahl ist zu einem weit verbreitenen Problem geworden und Ölarbeiter wurden kürzlich auf frischer Tat dabei ertappt, wie sie Gas direkt aus den Leitungen absaugten.

Die mexikanische Regierung, deren Aufgabe es ist, die Produktion zu steigern und die Preise zu senken, drückte 2013 und 2014 ein neoliberales Privatisierungsprogramm durch, hinter dem US-Ölinteressen standen und das vom US-Außenministerium unter Hillary Clinton in die Wege geleitet wurde. Präsident Enrique Peña Nieto versprach, dass die Reformen zu einer erhöhten Produktion und niedrigeren Preisen für Treibstoff führen würden, obwohl die Produktion gesunken ist und die Preise am 1. Januar nach oben geschossen sind. Es wird erwartet, dass die Preise sogar noch weiter  in die Höhe schnellen, indem die Subventionen für Brennstoffe bis März 2017 auslaufen werden. Peña Nieto behauptet, dass die Preise steigen müssen, um an das internationale Preisniveau angepasst zu werden, obwohl die Konsumenten in den USA zurzeit weniger für Benzin bezahlen als die Mexikaner.

Peña Nietos neoliberale Reformen sind gescheitert, indem das Wirtschaftswachstum seit Jahren nicht in Gang gekommen ist und die ungleiche Verteilung des Reichtums außer Kontrolle geraten ist.

Ungezügelte Inflation in Mexiko

Vielleicht der größte Auslöser der aktuellen Unruhen in Mexiko, ist die außer Kontrolle geratene Inflation, indem der Wert des Peso ein Rekordtief erreichte. Die mexikanischen Arbeiter sind bereits finanziell auf die Folter gespannt, indem der Mindestlohn bei vier US-Dollar pro Tag vor sich dahindümpelt. Die Nahrungsmittelpreise, die bereits vor dem Anstieg der Benzinpreise gestiegen waren, sollen um weitere 20 Prozent oder mehr steigen, da sie eng mit den Preisen an der Zapfsäule verknüpft sind.

Laut Zero Hedge entspricht es momentan in Mexiko mindestens “dem Äquivalent eines Gehalts von zwölf Mindestlohntagen, um einen Tank mit Benzin zu füllen, im Vergleich zu den sieben Stunden in den USA”. Leute, die nicht Auto fahren, sind davon ebenfalls schmerzlich betroffen, indem die Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel wahrscheinlich zusammen mit den Treibstoffpreisen ansteigen. Steigende Benzinpreise belasten den Rest der mexikanischen Wirtschaft durch einen Abwärtsdruck, indem die Arbeiter mehr Geld für Benzin und weniger für Konsumgüter ausgeben.

Die Defizitfinanzierung der mexikanischen Regierung und Trumps harte Aussagen über den Handel, waren bestimmende Faktoren bei der Entwertung des Peso, wodurch in Mexiko für die Arbeiterklasse alles teurer wird und sich die allgemeine Unzufriedenheit Bahn bricht, die das Land zu einem Unruheherd macht.

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Alls in allem kann kein einzelner Faktor als Ursache des extremen Ausmaßes an Unruhen in Mexiko verantwortlich gemacht werden. Vor den Studentenentführungen von Ayotzinapa erfuhr Mexiko bereits ausgedehnte Protestmärsche und Streiks. Die letzten Präsidentschaftswahlen wurden angefochten und die gegenwärtige Regierung von Enrique Peña Nieto hat nur eine Zustimmungsrate von 22 Prozent. Das allgemeine Gefühl der Hoffnungslosigkeit angesichts der narkotisch-staatlichen Korruption und wirtschaftlichen Instabilität, wird nicht mit der nächsten Wahl oder dem nächsten Protest verschwinden, und die ungleiche Verteilung des Reichtums in dem Land ist hoffnungslos. Mexiko ist reif für eine Revolution. Ob sie jetzt durch den Benzinwucher und die nachfolgende Inflation ausgelöst wird oder in der nahen Zukunft, sie wird kommen – und wir sollten darüber sprechen.

Verweise:

Übersetzt aus dem Englischen von http://anonhq.com/protests-mexico-push-country-brink-revolution-nobodys-talking/

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