»Das Geschäft mit dem Tod muss ein Ende haben«

in Menschenrechte/Wirtschaft
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Titelbild: Tonnenweise Waffen und Munition werden über den Hamburger Hafen in alle Welt verschickt – auch in Diktaturen und Krisengebiete – Foto: Christian Charisius/dpa

Von jungewelt.de

Rund 25 Tonnen Munition werden täglich über den Hamburger Hafen in alle Welt verschifft. Ein Gespräch mit Martin Dolzer.

1.127,85 Tonnen Munition wurden in den letzten drei Monaten über den Hamburger Hafen in verschifft, durchschnittlich zwölf Tonnen am Tag. Im Jahr 2017 waren es insgesamt 9.165,74 Tonnen, also 25 Tonnen am Tag. Die Menge der Munitionstransporte wird, nachdem wir sie als Fraktion jahrelang alle drei Monate erfragt haben, mittlerweile im Transparenzportal der Hansestadt veröffentlicht. Nicht veröffentlicht werden allerdings die Zielländer, die Zielunternehmen und die Hersteller. Die Zielländer der Munition sind dann nur drei Monate im Gefahrgut-Informationssystem der Polizei, GEGIS, einsehbar und müssen jedes Mal extra erfragt werden.

Mauert der Senat, weil Waffenhandel nicht zum Image passt?

Wirkliche Transparenz sieht anders aus. Zahlen zu den Exporten von Waffen durch den Hamburger Hafen gibt der Senat erst gar nicht an – dies sei Bundesangelegenheit. Die Munitionstransporte werden auch nur angegeben, weil es sich um Gefahrgut nach einer UN-Norm handelt.

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Kann man eine Tendenz bei den Waffenexporten aus Hamburg erkennen, wird das mehr oder weniger?

Von einer abnehmenden Tendenz kann man anhand der letzten drei Monate leider nicht sprechen, weil die Exporte langfristig gesehen von Quartal zu Quartal schwanken. Jede Waffe und jede Patrone, die über den Hamburger Hafen exportiert wird, ist aber eine zuviel. Auch jede Waffe oder jede Komponente, die von einem der 93 Betriebe produziert wird, die in Hamburg in die Herstellung von Rüstungsgütern involviert sind, ist eine zuviel und bringt potentiell den Tod.

»Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt«, heißt es ja auch auf Demonstrationen. Wohin gehen denn Waffen und Munition von Hamburg aus so?

Im Hamburger Hafen stellt zum Beispiel Krauss-Maffei Wegmann Bodenwannen für den »Leopard 2«-Panzer her, einen Panzer, den auch die türkische Armee nutzt, die momentan gemeinsam mit Al-Quaida-nahen und IS-Milizen einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Kurden in Afrin sowie mit Luftangriffen im Kandilgebirge führt. Unsere Anfrage belegt, dass Munition in den letzten drei Monaten unter anderem nach Kolumbien und Honduras exportiert wurde. In Kolumbien verletzen trotz des Friedensprozesses staatliche Kräfte und Paramilitärs regelmäßig die Menschenrechte. Allein 38 FARC-Mitglieder wurden nach Abschluss des Friedensvertrags 2017 ermordet. Auch Sprecher afrokolumbianischer Gemeinden fielen Anschlägen von Paramilitärs, die eigentlich entwaffnet werden sollten, zum Opfer. In Honduras erschossen Sicherheitskräfte 2017 laut Amnesty International mindestens 14 Menschen bei friedlichen Demonstrationen, freie Meinungsäußerung und friedlicher Protest werden dort nach einem Wahlputsch gewaltsam unterdrückt. In früheren Anfragen wurde deutlich, dass Munition zum Beispiel nach Saudi-Arabien und Katar, den Hauptsponsoren des IS, oder nach Mexiko, wo die Menschenrechte von staatlichen Kräften mit Füßen getreten werden, verschifft wurde.

Hamburger Hafen- und Handelsfirmen verdienen also gut an den Waffenexporten und damit auch an den Kriegen der Welt?

Das Geschäft mit dem Tod muss endlich ein Ende haben. Deshalb setzen wir uns auch für einen Stopp der Waffen- und Munitionstransporte durch den Hamburger Hafen ein. Der rot-grüne Senat schiebt allerdings als Ausrede vor, dass das rechtlich nicht möglich wäre. Das ist natürlich Unsinn. Es fehlt schlicht der politische Wille, einen Weg zu finden. Anstatt Hamburg als »Mittlerin des Friedens« aufzustellen, wie es in der Verfassung steht, wird munter mit Diktatoren zusammengearbeitet, werden Waffen exportiert, werden neue Aufträge zum Bau von Fregatten nach Hamburg geholt. In der Forschung wird die Entwicklung von »Dual-Use-Gütern« mit militärischem Nutzen unter dem Prädikat »exzellente Projekte« verstärkt gefördert. Der Senat flankiert so die zunehmend aggressive deutsche und EU-Großmachtpolitik, die Ursula von der Leyen und Sigmar Gabriel derzeit vorantreiben. Ich denke, dass nicht nur der Stopp der Exporte, sondern auch die Konversion, also die Umwandlung der Rüstungsbetriebe in solche, die zivile Güter herstellen, notwendig ist.

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